Geistiges Eigentum
muss geschützt werden

Die Enforcement-Richtlinie



 

 

Ausgabe 57
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Geistiges Eigentum muss
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Presse

Text: Jens O. Brelle und Denise Jurack

Inhaber von Immaterialgüterrechten wie beispielsweise Urheber-, Marken-, Kennzeichen-, Muster- und Patentrechten, sollen mit Hilfe der so genannten Enforcement-Richtlinie (oder auch Durchsetzungsrichtlinie) in ihren Rechten gegen Beeinträchtigungen und Rechtsverletzungen besser geschützt werden.

Die Europäische Enforcement-Richtlinie (48/2004/EG) musste spätestens bis zum 29. April 2006 in nationales Recht umgesetzt werden. Deutschland hat die Umsetzung im April 2008 geschafft, also mit zweijähriger Verspätung. Deshalb hat die Europäische Kommission gegen Deutschland (und auch Frankreich, Portugal, Schweden und Luxemburg) vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Am 01.09.2008 ist dann das Gesetz zur „Durchsetzung des Rechts des geistigen Eigentums“ in Kraft getreten. Auswirkungen hat die Richtlinie auch auf das Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Markengesetz, Halbleiterschutzgesetz, Urheber-rechtsgesetz, Geschmacksmustergesetz und Sortenschutzgesetz.


Entwicklung der Enforcement-Richtlinie


Aufgrund der rasanten Zunahme von Marken- und Produktpiraterie-Fällen wurde bereits im Jahr 1998 das „Grünbuch zur Bekämpfung von Nachahmungen und Produktpiraterie im Binnenmarkt“ von der Europäischen Kommission vorgelegt. Mit diesem Maßnahmenkatalog erzielte man jedoch nicht das gewünschte Ergebnis und so wurde im Januar 2003 der „Vorschlag für eine Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum“ veröffentlicht. Im April 2004 trat dann die Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG in Kraft. Gegenstand der Richtlinie sind nach Art. 1 Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Den größten Anteil gefälschte Produkte stellen Accessoires, Sportbekleidung und Schuhe. Aufschluss über diese alarmierende Situation gibt beispielsweise die Studie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) zum Thema Produkt- und Markenpiraterie, denn auch vor dem Kopieren von großen Maschinen wird nicht Halt gemacht. Durch die BASCAP-Studie Global Survey on Counterfeiting and Piracy wurde festgestellt, dass die Länder China und Russland das schlechteste Umfeld für den Schutz von geistigem Eigentum bieten.

Auch im Internet, das natürlich kein rechtsfreier Raum ist, gibt es immer mehr Handlungsbedarf wegen unerlaubter Tauschbörsennutzung oder der wegen unerlaubter Verwendung fremder Bilder. Hier sollten nicht nur die Rechte des Urhebers geschützt werden, sondern auch die Verbraucher vor überhöhten Abmahnungen.



Inhalt der Enforcement-Richtlinie


Nach etlichen Entwürfen und Stellungnahmen trat am 01.09.2008 mit mehr als zwei Jahren Verspätung das „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ in Kraft.

Die wesentlichen Neuerungen des Enforcement - Gesetzes sind:

1.
D
ie Beweismittelbeschaffung bzw. Beweislastregelung: Mit in Kraft treten des Enforcement-Gesetzes müssen Fälscher unter bestimmten Voraussetzungen sich selbst belastende Beweismittel bei Gericht vorlegen. Bestehende Beweisprobleme können so dem Nachahmer aufgebürdet werden.

2.
Die Möglichkeit der Beweissicherung im Wege des einstweiligen Rechtschutzes:
Dadurch, dass die Beweislast neu geregelt wurde, kann der Rechteinhaber Unterlassungsansprüche wirksamer durchsetzen und die Rechtsverletzung durch eine einstweilige Verfügung unterbinden.

3.
Ein erweiterter Auskunftsanspruch: Durch den erweiterten Auskunftsanspruch müssen bei offensichtlichen Rechtsverletzungen auch Dritte, die an der schädigenden Handlung mittelbar beteiligt sind, Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg erteilen. Der Geschädigte erhält somit ein umfassenderes Bild über die Verbreitung der Fälschungen. Erteilt der Schädiger grob nachlässig oder absichtlich falsche und unvollständige Auskünfte, macht er sich schadensersatzpflichtig. Eine große Rolle wird dies vor allem bei Internet-Service-Providern spielen. Unter bestimmten Voraussetzungen müssen nun Informationen über die Identität des Rechtsverletzers herausgegeben werden. Eine dieser Voraussetzung ist, dass der Rechtsverletzer selbst in gewerblichem Ausmaß gehandelt hat.
 
4.
Die Vereinfachung der Möglichkeit, Waren in Fällen der EU-Grenzbeschlagnahme zu vernichten: Mit der Einführung des Gesetzes können nun auch Waren vernichtet werden, die sich nicht mehr beim Nachahmer befinden, sondern schon bei jenen, die die Ware vertreiben. Ferner können auch die Geräte vernichtet werden, mit denen die Plagiate hergestellt wurden. Erweist sich ein Vorgehen gegen einen Rechtsverletzer als ungerechtfertigt, so hat der Rechtsinhaber die Pflicht zur Schadensersatzzahlung.
 
Der größte Streitpunkt bei der Umsetzung lag jedoch bei der Regelung des Schadensersatzes. Generell gibt es bei der Berechnung von Schadensersatz drei Möglichkeiten: Entgeht demjenigen, dessen Rechte durch die widerrechtliche Nutzung verletzt werden, ein Gewinn, ist ihm ein Schadensersatz in Höhe des entgangenen Gewinns zu zahlen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Herausgabe des Gewinns zu verlangen, wenn derjenige, der die Rechte des Urhebers verletzt hat, einen konkreten Gewinn erlangt hat. Die häufigste Variante ist jedoch die Schadensberechnung mit Hilfe der Lizenzanalogie. Hier ist die Höhe des Anspruchs zu ermitteln, der dem Inhaber eines verletzten Schutzrechts gegen den Verletzer zusteht. Der Verletzer soll grundsätzlich nicht anders stehen als ein vertraglicher Lizenznehmer. Das heißt auch, dass der Schädiger den Geschädigten so zu stellen hat, wie er ohne das schädigende Verhalten stehen würde. Somit entfällt eine Besserstellung des Geschädigten.
 
Die Kommission hat dem nationalen Gesetzgeber mit der Richtlinie die Möglichkeit der so genannten „doppelten Lizenzgebühr“ eröffnet. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber aber nicht genutzt, sondern am System der „einfachen Lizenzgebühr“ festgehalten. Eine Ausnahme ist die GEMA: Wird dort keine Lizenzgebühr bezahlt, wird ein „Kontrollkostenzuschlag“ fällig. Dies wurde bereits ausgiebig bei der Umsetzung der Richtlinie diskutiert. Man bezeichnete diesen Zuschlag dort als „Straf- bzw. Verletzerzuschlag“. Einen solchen „Straf- oder Verletzerzuschlag“ kennt das deutsche Urheberrecht aber nicht. Der Zuschlag der GEMA ist durch die Rechtsprechung anerkannt. Die Begründung lautet hier, dass er der Finanzierung des Überwachungsapparates der GEMA dient. Ein Umdenken beim nationalen Gesetzgeber ist momentan nicht zu erwarten und ein einheitliches europäisches Recht, was diesen Punkt betrifft, wohl auch nicht.
 
Neu und nicht in der Enforcement-Richtlinie vorgesehen, ist die Deckelung des Aufwendungsersatzes von Abmahnkosten auf 100 Euro (§ 97a UrhG). Dies ist vor allem bei einfach gelagerten Fällen möglich, die nicht gewerblich sind und auch nur eine unerhebliche Rechtsverletzung beinhalten. Mit Hilfe dieses Paragrafen soll missbräuchlichen Gebührenforderungen entgegengewirkt werden. Neu eingeführt wurde auch in ein erweiteter Auskunftsanspruch (§ 101 UrhG). Die Musikindustrie kann mit dessen Hilfe schneller auf die Kommunikationsdaten von Tauschbörsennutzer zugreifen. Somit erspart man sich das bislang aufwendige Verfahren, die Daten der Nutzer ausfindig zu machen. Ganz so einfach ist die Beschaffung der Daten jedoch nicht, erforderlich ist immer noch eine richterliche Verfügung. Hier schließt sich dann auch der Kreis zu der 2008 eingeführten Vorratsdatenspeicherung. Wurden vor der Einführung der Verpflichtung der Anbieter von Telekommunikationsdaten, die Daten der einzelnen Nutzer von den Providern schnell gelöscht, sind diese nun verpflichtet, die Daten mindestens sechs Monate zu speichern.

Die Autoren




Jens O. Brelle, geboren am 15. November 1968. Hamburger Medienanwalt. Seit 2000 Rechts- und Medienanwalt, Hamburg & Berlin. Die Kanzlei betreut kreative und gestalterisch tätige Unternehmer. Der kostenlose Newsletter >>>ART-LAWYER®.DE #actuals bringt immer montags aktuelle Rechtsinfos, Wirtschafts-news und Veranstaltungstipps aus der Design-, Medien- und Kulturbranche. www.art-lawyer.de




Denise Jurack, geboren 1981. Ausbildung zur Schauwerbe-gestalterin. Seit 2004 Studentin der Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg mit Schwerpunkt Information und Kom-munikation. Seit 2007 Werk-studentin in der Kanzlei RA Jens O. Brelle - Art-Lawyer.